Brauchtum

20.15 Uhr, ein Donnerschlag, die Strassenbeleuchtung erlischt, finstere Nacht.

Der Klausumzug beginnt seinen Lauf.

Zuvor haben Geisselchlepfer die Zuschauer mit ihrem Können begeistert.

Und schon huschen lautlos die ersten der bis zu 250 Iffelen vorbei. Allmählich wird der von den Musikanten geblasene Dreiklang hörbar. Zwischen Iffelen und Musik schreitet würdig St. Nikolaus, begleitet von Schmutzlis und Fackelträgern. Nach den Musikanten folgt der Harst der Klausjäger, etwa 1100 Mann, die ihre Treicheln in gleichmässigem Takt schwingen. Es dringt durch Mark und Bein! Den Schluss des Zuges bilden gegen 200 Hornbläser.

Geschichte des Klausjagens

Immer wieder taucht die Frage auf, weshalb in Küssnacht am Rigi der Klaus gejagt wird? Schriftliche Quellen, die Herkunft und Alter des Brauchs belegen könnten, gibt es kaum. Lange ging man davon aus, unsere damals noch heidnischen Ahnen hätten in den langen Nächten der Wintersonnenwende in einer wilden Jagd mit Lärminstrumenten versucht, böse Geister und Dämonen zu vertreiben. Durch das Umkreisen von Obstbäumen mit Schellen und durch Geisselknallen erhoffte man reicheren Ertrag bei der nächsten Ernte. Die Volkskunde ist allerdings von diesen Deutungen, die im Laufe der Zeit zum Volksglauben wurden, abgekommen. Neuere Publikationen finden eine Wurzel des Brauchs in nordfranzösischen Internaten des frühen Mittelalters, wo jeweils am Klaustag ein Schüler zum Bischof gewählt wurde und einen Tag lang regieren durfte. Daraus entwickelte sich im Lauf der Jahrhunderte ein wildes Treiben, das immer mehr zum Fasnachtsspektakel ausartete und zu häufigen Klagen führte.

Auch für die Küssnachter Behörden verkam das Klausjagen zum Ärgernis, wie die erste Erwähnung im Protokoll des Bezirksrats von 1732 belegt: «Wegen den Buben, die durch ihr Hornblasen und Tricheln nächtlicher Zeit die Leute beunruhigen, ist erkannt, dass bei einem Pfund Busse sie solches in solchem Ungestüm nicht mehr tun sollen». Der damalige Zeitgeist bildete ohnehin keinen guten Nährboden für die alten Volksbräuche. «Gebildete» Küssnachter schämten sich ob des barbarischen Treibens eines Teils ihrer Mitbürger zur Klausenzeit. 1837 etwa schrieb der Bezirksrat: «Bezüglich des sogenannten Chlausjagens sei selbes ein- und allemal, bei Tag und Nacht, für Minderjährige und Erwachsene, und zwar für Erwachsene bei 2 Neutaler Strafe, für Minderjährige bei einer angemessenen Körperstrafe, verboten». 1888 wurde das Klausjagen erneut als ruhestörender Unfug untersagt und das unbefugte Schiessen mit einer Busse von 30 Franken geahndet. 1914 predigte sogar der Pfarrer von der Kanzel gegen das Klausjagen – wiederum erfolglos.

Um 1920 nahmen die Ausschreitungen um den Klaustag immer heftigere Formen an. Um die drohende Gefahr definitiver behördlicher Verbote abzuwenden, fanden sich im Jahre 1928 engagierte Küssnachter zusammen. Sie kamen überein, das bodenständige Brauchtum in gesitteter Form, ohne nicht traditionelle Lärminstrumente wie Blechbüchsen und Glashörner, zu erhalten und den Klausumzug am 5. Dezember 1928 würdig zu begehen. In den folgenden Jahren entwickelte sich das begonnene Werk erfreulich. Im Jahre 1933 nahm die inzwischen fünf Jahre alt gewordene Gesellschaft vereinsmässige Formen an. 1933 traten 22 Klausjäger der Gesellschaft bei, die heute als grösste Vereinigung im Bezirk Küssnacht gegen 1800 männliche Mitglieder zählt.

Wo die Ursprünge des Küssnachter Klausjagens liegen, wird wohl nie abschliessend geklärt werden. Auch wenn die Wurzeln nach aktuellem Kenntnisstand nicht auf vorchristliche Zeit zurückreichen, ist das unverändert lebendige Brauchtum immerhin stattliche 1000 Jahre alt.

Instrumente

Die Geissel

Schon lange vor dem Klaustag stimmen die Geisseklepfer das Dorf auf die Klausenzeit ein. Ab dem 2. November hört man jeden Abend in irgend einer Ecke Küssnachts den Knall einer Geissel. Während die Schafgeissel dumpf und langsam durch die Strassen dröhnt, ist der Knall der Fuhrmannsgeissel kürzer und höher.
Gemeinsam ist den beiden Geisseln, dass sie mit einem Stecken und einer sich verjüngenden aus Hanf gedrehten Schlinge geklepft werden. Und auch gemeinsam haben sie, dass sie nur dann eindrucksvoll knallen, wenn sich der Zwick (das Ende der Geisselschlinge) mit mehr als ca. 340 Meter pro Sekunde (Schallgeschwindigkeit) bewegt.

Link mit Zusatzinformationen zu beiden Geisseln: priis-chlepfä Schwyz: https://www.priis-chlepfe.ch/index.htm

Die Schafsgeissel

Mit der Schafgeissel versuchen sich schon die Kleinsten im Dorf. Sie zu schlagen, erfordert neben Geschicklichkeit auch Kraft, damit die Schlinge mit beiden Händen am massiven Stecken waagerecht von links nach rechts durch die Luft gezogen wird. Den Könner erkennt man daran, dass die Geissel nie den Boden berührt. Sie wird einzeln, aber auch in Formationen geklepft, wobei natürlich mit wachsender Gruppengrösse die Schwierigkeit zunimmt. Besondere Aufmerksamkeit erlangen die Formationen mit bis zu sechs Klepfern, die auf dem Hauptplatz vor und nach dem Hauptumzug die Menge begeistern.

Die Fuhrmansgeissel

Mit der Fuhrmannsgeissel gilt es, den Chrüzlistreich zu klepfen. Dabei lässt der Klepfer die Schlinge einhändig über den Kopf von hinten nach vorn und zurück schnellen. Der Stecken aus Surgelholz ist kunstvoll verziert und elastisch. Diese Geissel zu klepfen erfordert jahrelange Übung, besondere Geschicklichkeit, Kraft und Konzentration. Das Spiel beginnt mit Schlägen in Viertelsnoten, die anschliessend in Achtelnoten übergehen.
Die Klepfer mit dem Chrüzlistreich eröffnen den Umzug durchs Dorf. In den abgedunkelten Strassen weichen die Zuschauer vor dem unsichtbaren aber lauten Knall zurück. Es gibt so Platz für die Iffelen und den Samichlaus mit Gefolge.

Die Iffelen

Mit Kerzen und selten mit Lampen beleuchtet, huschen Gestalten in weissen Gewändern durch die dunklen Gassen. Dabei tänzeln sie herum und gehen vor Bekannten auf die Knie. Auf ihrem Kopf tragen sie eine an die Mitra eines Bischofs angelehnte Inful (Iffele). Es scheint, als wandelten beleuchtete Kirchenfenster durchs Dorf.
Wann die ersten Iffele hergestellt wurden, ist nicht klar. Die ältesten noch erhaltenen Kunstwerke stammen aus den Jahren 1916 und 1917. Auf zwei grosse Kartonteile werden filigrane Muster vorgezeichnet, dann ausgestanzt und anschliessend doppelt mit Seidenpapier beklebt. Die kleinsten Iffele sind nicht einmal 50 cm hoch, die grössten Exemplare 200 cm und mehr! Bei den Motiven sind die Iffelenbauer und Iffelenbauerinnen aber nicht ganz frei. Auf eine Küssnachter Iffele gehört vorne die Figur des St. Nikolaus und auf die Rückseite ein Kreuz sowie Jesus-Inschrift JHS.
Rosetten, Bänder, Girlanden und kunstvolle Bildnisse in jeglichen Farben und Formen vervollständigen das Bild.
Auf die je nach Wetter rund 200 Iffele folgt der Samichlaus mit seinem Gefolge: mehrere Schmutzli sowie ein Dutzend Fackelträger.

Die Musik

Die Musikinstrumente sind beim Klausjagen für das Spielen der eindrücklichen Klausenmelodie unentbehrlich. Ohne diesen Dreiklang ist der Umzug nicht mehr denkbar. Gespielt wird die Klausenmelodie, welche von Josef Trutmann komponiert wurde, seit 1912. Wirkliche Popularität erlangte sie jedoch erst in den 20er Jahren, als die Küssnachter ihr einen spöttischen Text unterlegten. In unangenehmer Erinnerung an den Bezirksammann Klemenz Ulrich, genannt «Bodefridimänz», der während seiner Amtszeit von 1920 bis 1924 mehrfach energisch gegen die Auswüchse des Klausjagens eingeschritten war, sang man – und singt man noch heute – auf die schlichte Tonfolge: «Mänz, Mänz, Mänz! Bodefridimänz!» Heute ist dieser Dreiklang zum Markenzeichen des Küssnachter Klausjagens gewordenen.

Senten Und Klopfen

Ursprünglich wurden zum Klausjagen einfache Kuhglocken verwendet. Später konnten in der Westschweiz und im Vorarlberg grosse Treicheln ausfindig gemacht werden. Auch in Küssnacht bemühten sich Handwerker, spezielle Senten für Klausjäger herzustellen. Aus dem Muotathal stammen die Klopfen, die durch den markanten kurzen Ton auffallen.

Senten

Senten sind die geschwungenen Treicheln, welche den Takt der Musik übernehmen und einen glockenartigen Klang aufweisen.

Weitere Informationen über die Herstellung der Treicheln findet man bei den Schweizer Treichelherstellern:

Beeler Metallbau in Küssnacht

«Sonnailles» des Aterliers Firmann S.A., Bulle

Klopfen

Als Klopfen werden hauptsächlich die Froschmulglocke der Schelbert Glockenschmiede AG, Muotathal bezeichnet. Diese können maschinell hergestellt oder handgeschmidet gekauft werden. Verkauf durch Arthur Weber AG, Grössen Nr. 1-15

Die Hörner

Am Schluss des Umzuges folgen über 150 Hornbläser. Auf Kuhhörnern erzeugen sie ein schaurig monotones Getute im unerschütterlichen Rhythmus: zweimal kurz, einmal lang.

Klausjäger